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Interview mit dem Autor:


*Aus welchen Gründen haben Sie als Titel des Buches die „Prinzipien der Heilkunst“ in Anführungsstrichen ausgewählt?

#Das Beschriebene ist ja eigentlich das genaue Gegenteil von Heilkunst. Von „echter Medizin“ ist eigentlich nur zwei oder dreimal die Rede. Es geht nicht um das Ringen des Arztes mit der Krankheit seines Patienten. Sondern es geht um die Kunst der Fuge, trotz aller formaler und administrativer Beschränkungen, als Arzt doch noch auf den Verlauf des Patienten positiv einzuwirken. Das Vorzeigebeispiel ist hier in Kapitel EINS ab Seite 51. Hier wird einmal so ein Verwaltungsscharmützel mit einer Krankenkasse beschrieben. In diesem Fall war der Sachverhalt eindeutig, das Ergebnis des ganzen Hin- und Her mit der Krankenkasse stand von vorne herein fest. Hätte ich dies nicht so verfolgt, wäre dies fahrlässige Körperverletzung gewesen. In der Haut der Krankenkassenmitarbeiter hätte ich auch nicht stecken wollen. Die werden geschult, um am Telefon teuere Anfragen abzuschmettern. Man kann während solcher Telefonate förmlich spüren, wie der Konflikt zwischen der intuitiven Haltung und der vorgegebenen Sprachregelung immer größer wird. Um ans Ziel zu kommen braucht man aber Zeit. Ich nenne das: „meine Gesprächspartner an meinem Kummer teilhaben lassen.“ Dazu schildere ich in allen Facetten das ganze Problem, weise auf Gefährdungslagen hin und auch auf meine weiteren Schritte und lasse mir abschließend noch einmal den Namen des Gesprächspartners buchstabieren und wiederhole noch einmal die Rückrufnummer, um sie zusammen in das Ergebnisprotokoll der Krankenakte einzutragen. In der Regel klappt es dann, aber es braucht einen gewissen Sportsgeist.

*Und der Titel selbst, wie soll man das verstehen?

Ein gewichtiges Werk, das in der großen Tradition revolutionäre Erkenntnisse steht braucht halt auch einen angemessenen Titel. Mit der Titelwahl wird die logische Reihenfolge: Newton, Darwin, Freud, Streit komplettiert... Nein, Scherz beiseite, ein bisschen Größenwahn muss schon sein.

*Herr Streit, wie kommen Sie dazu, als Hausarzt ein solch voluminöses Buch mit über 500 Seiten zu schreiben und dies, wo Sie doch sowieso schon über zu wenig Zeit klagen?

#Ja, das stimmt die Zeit ist knapp. Als niedergelassener Arzt werden viele Stunden in der Praxis verbracht. Und als Familienvater ist man ebenfalls gefragt. Dennoch habe ich viele Abendstunden in den letzten Jahren geschrieben. Angefangen hat alles mit der Begründung eines Widerspruchs gegen einen Honorarbescheid. Ich hatte zuvor festgestellt, dass wir immer mehr Patienten behandeln und dennoch ständig weniger Honorar von der kassenärztlichen Vereinigung bekamen.

*Sie sagen, dass Sie mehr Zeit gearbeitet haben und immer weniger Geld für diese Arbeit bekamen?

#Da staunen Sie! Ich habe auch gestaunt. Wir haben unsere Praxis von vorne herein nicht als Profitcenter gestaltet. Dies ergab sich schon aus der Wahl des Standorts. Wir arbeiten und wohnen im gleichen Veedel, wie man in Köln sagt. Wir wollten die verbleibende Zeit nicht im Auto verbringen. Also haben wir da eine Praxis neu aufgemacht, wo wir wohnen.

*Sie haben eine Praxis ganz neu gegründet?

#Ja, das war eine spannende Sache. Als wir alle Voraussetzungen für eine Niederlassung hatten, gab es zwei Optionen: die Neugründung in Köln Mülheim und als Plan B hat sich eine Praxis im Kölner Süden zum Kauf ergeben. Die Vermieter des Praxisverkäufers hatten schon vor Vertragsabschluss komische Schwierigkeiten gemacht. Die wollten uns mit einem Staffelmietvertrag regelrecht auswaiden und deshalb haben wir von dem Projekt Abstand genommen. Dann haben wir uns
so richtig selbstständig gemacht. Wenn ich ehrlich bin, war die Neugründung von Anfang an mein Ding. Zu Beginn haben meine Frau und ich abwechselnd die Annahme und Telefondienst gemacht, während der jeweils andere behandelte. Im ersten Jahr habe ich sogar selbst die Praxis geputzt. Wir hatten einfach keine Ahnung, ob wir mit dem Geld hinkommen würden.

*Aber Sie erzählten, dass es weniger Geld für mehr Arbeit gäbe...

#Ich bin da gar nicht so pingelig. Ich muss nicht jeden Handgriff bezahlt bekommen, aber wenn die Zahl der Patienten viermal im Verlaufe eines Jahres immer größer wird, die Zahl auf dem Kontoauszug aber jedes Quartal kleiner, dann kommt man daran nicht vorbei. Ich habe hin und her gerechnet. An uns lag es nicht. Es war kein Fehler passiert, er war vielmehr so, dass die Vergütungsordnung sich nach einer Reform immer weiter von der Realität in unserer Praxis entfernte. In der Sprache der Medizinverwaltung waren wir einfach die Verlierer dieser Reform der Vergütungsordnung. So hinnehmen wollte ich das nicht. Also habe ich Widerspruch eingelegt und den auf ungefähr zehn Seiten begründet. Das Ganze endete in einem Gespräch in der Kassenärztlichen Vereinigung. Letztlich mussten wir uns hier mitleidig belächeln lassen und wurden mit dem Spruch: „Wir behandeln alle ein paar Ausländer und wir sprechen in einem halben oder einem Jahr noch mal darüber“, nach Hause geschickt. Wenn ich die Queen von England gewesen wäre, hätte ich gesagt: I´m not amused! Ich war stinksauer. Ich war zum ersten mal so richtig gegen eine Wand gekracht, von der ich sofort wusste, da komme ich nicht auf dem direkten Weg durch. Das passiert mir nicht so oft.

*Und dann haben Sie angefangen zu schreiben?

#Nicht direkt. Es habe erst mal gegrummelt und geschimpft und meinen Bekannten und Freunden die Ohren voll gejammert. Aber irgendwann spürt man selbst, dass man so keine gut Gesellschaft mehr ist. Erst dann habe ich angefangen. Zuerst ging es nicht so gut von der Hand. Aber nach und nach kam ich immer schneller rein. Es gab Zeiten da habe ich jede Minute genutzt. Und wenn es nur zwei Sätze waren. Das Ganze ist nicht so aus einem Guss, aber das ist der Preis, wenn man alleine an einem eigenen Konzept arbeitet.

*Die lange Zeit des Schreiben zeigt ja, wie sehr Sie motivierte waren. Was hat sie dran gehalten?

#Mir ist immer mehr aufgefallen wie subtil Motivationen gelenkt werden können. Eine Handlungsvorlage für Standardvorgänge ist ja grundsätzlich gar nicht schlecht. Je mehr ich mich aber mit den Strukturen beschäftigt habe, desto mehr musste ich erkennen, dass der Bezugsrahmen in dem ich als Arzt arbeiten soll, nicht geschützt ist. Jeder der nur beharrlich genug ist, schafft es irgendeinem Entscheider einen Floh ins Ohr zu setzen: „Was noch gut wäre, wäre folgendes...“ Und so muss ich gegenwärtig mit ansehen wie dieser Lobbyismus direkt bis in meinen Praxis-PC durchschlägt. Die unsägliche Diskussion um das Aut-Idem-Kreuz war so etwas. Dieser Wahnsinn hat für ein eigenes Unterkapitel gereicht. Jedenfalls war der Höhepunkt dieses Konfliktes, dass per Verwaltungsanordnung ein Parameterschalter aus der Software entfernt werden musste. Vorher konnte ich mir als selbstständiger Arzt überlegen, auf welche Art und Weise ich die Arzneimittelverordnung sicher organisiere. Die eindeutige Verordnung einer bestimmten Schachtel mit immer gleichem Namen und immer gleichem Aussehen der Pillen war ein Teil unseres Konzeptes. Also hatten die Softwarehäuseer der PRaxis-EDV einen Parameterschalter programmiert, mit dem jeder Arzt sein Konzept in der Software, die er selbst bezahlt, umsetzten konnte. Und genau diesen Schalter musste alle Softwarehäuser entfernen. Solche Momente waren es, wo ich begriffen habe, Recht haben alleine reicht nicht. Du musst zumindest den Entscheidern eindeutig die Verantwortung für ihre Entscheidungen auf die Schultern laden. Die verstehen gar nicht in welch komplizierte Balance sie da so mir nichts dir nichts hinein entscheiden.



*An manchen Stellen wäre ein professionelles Lektorat gut gewesen.

#Richtig, mit Zielgruppendefinition und rotem Faden und so. Das hätte dem Buch sicherlich gut getan. Mein Freund Berndt Goossens hat das erste Manuskript formal korrigiert. Ich wusste gar nicht wie viele Fehler man auf einer Schreibmaschinenseite haben konnte, von der ich dachte sie sei so weit ok. Eine redaktionelle Betreuung durch ihn war von vorne herein nicht geplant. Ich wollte mal sehen, wie weit ich komme in der Schadensanalyse des Systems. Das war teilweise gar nicht so einfach, mir fehlten anfangs die Denkstrukturen dafür. Aber gerade die Suche nach diesen verdeckten Fehlern in der Konstruktion waren spannend. Ich habe mich am Ende mit mir selbst darauf geeinigt, dass die Zielgruppe zuerst einmal die sind, die sowieso wissen warum es geht: Politiker, Journalisten, Funktionäre, Verbandsmitarbeiter. Alles Leute, die sich alle grundsätzlich im Gesundheitswesen auskennen.

*Wie kommen Sie auf diese Zielgruppe, wissen diese Personen nicht auch so was los ist?

#Es ging mir vor allem darum den Jetztzustand zum Jahreswechsel 2012/2013 mit allen seinen Konsequenzen aufzuschreiben. Deshalb habe ich auch 250 Exemplare an diese Personengruppe verschickt. Im Begleitschreiben habe ich jeden über alle anderen informiert, die gleichzeitig diese Buchsendung bekommen haben. Ich wollte einfach, dass keiner sagen konnte: „Ich habe es nicht gewusst!“

*Wie die Resonanz auf diesen verschickten Papierberg?

#Peter Day, der für mich als Medienprofi das Layout und die Produktion übernommen hat, meint zehn Prozent Rückläufer, wie ich sie hatte, wären für ein unverlangt zugesandtes Druckeerzeugnis unglaublich gut. Normalerweise ginge man von maximal ein bis zwei Prozent aus. Ich hätte mir eine Rückmeldung von unserem seinerzeitigen Gesundheitsminister Herrn Bahr gewünscht, die habe ich leider bis heute nicht bekommen, noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung.

*Was haben Sie in der neuen Auflage anders gemacht?

#Beim nun zweiten Anlauf wollte eine konsumerfreundlichere Version herausbringen.Deshalb verlagerte ich die Zahlenwüsten in den Anhang. Einiges im Textverlauf habe ich umgestellt, damit man es flüssiger lesen kann. Grundsätzlich bleibt es eine ziemlich spröde Materie, der man nur mit viel Phantasie Leben einhauchen kann. Dafür gibt es zum Ausgleich immer wieder eingestreute Juwelen der Realsatire. Es gibt einige ganz neue Kapitel. Insbesondere das, über die Prävention lag mir sehr am Herzen. Im Laufe der Jahre hat sich meine Darstellungsperspektive geändert. Stand in der ersten Auflage vor allem die Ist-Analyse des Kassenarztsystems selbst im Blickpunkt, beziehe ich, in der nun vorgelegten zweiten Auflage, die Konflikte des Kassenarztsystems gegenüber anderen großen Interessengruppen mit ein. 

*Was ist Ihr Fazit, hat sich dass ganze Projekt gelohnt?

#Ich bin ins Gespräch gekommen. Nebenbei habe ich mir, die für mich neue Sphäre des Schreibens eröffnet. Ich bin kein geborener Schreiber. Vieles an der deutschen Sprache, habe ich erst im Laufe der Zeit, während des Schreibens verstanden. Aber das Schreiben über Grenzbereiche und logische Bruchstellen ist wohl mein Thema. Zwischenzeitlich habe ich angefangen über etwas ganz anderes, fast völlig ohne direkten Bezug zur Medizin, zu schreiben. Dazu verrate ich nur so viel, es geht um den Neandertaler in uns. Etliche hundert Manuskriptseiten sind fertig. Ich kann offensichtlich vor allem dicke Bücher. Vielleicht ist der Weg zu meinem ursprünglichen Ziel, viel weiter als ich anfangs dachte. Mit den "Prinzipen der Heilkunst" habe ich lernen müssen, dass Wissen allein keinen Einfluss besitzt. Das hätte ich aus der Sprechstundenarbeit eigentlich schon wissen müssen. Die Patienten behalten allenfalls 10 Prozent der Wortinhalt, die ich ihnen sage. Deshalb male ich in der Sprechstunde meist gedankliche Bilder ins Bewusstsein des Patienten, wenn es kompliziert zu werden droht. Dann kommt es auf die Details gar nicht mehr so an. Ich hole mir am Ende ein paar Feedbacks, ob er in seinem Bild das gleiche sieht, wie ich und schon hat er ein Konzept im Kopf mit dem er alleine klarkommen kann. Dies scheint auf gesellschaftlicher Ebene nicht anders zu sein. Objektive Wortinhalte sind ziemlich wirkungslos. Die alternativen Fakten eines mächtigen Mannes zeigen dies. Wenn Worte aber ein  Bild, ein imaginiertes Modell oder sogar ein gesellschaftliches Klima erzeugen, dann kommen auch die, die über die Faktenlage gar nicht erreicht werden oder erreicht werden wollen, nicht an der Kenntnisnahme vorbei.


Dazu braucht man zuerst einmal Gehör in Bezug auf meine Person, um dann auch eine Plattform für meine Ideen zur Arbeit in als Hausarzt zu bekommen. Vielleicht gelingt dies mit dem zweiten Buch.






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